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Ein Herbarium (pl. Herbarien; lat. herba = Kraut, Pflanze) ist eine Sammlung gepresster, getrockneter, und auf Papierbogen geklebter Pflanzen. Zusätzlich werden oft noch Früchte, Samen oder Holzproben separat in Spezialsammlungen aufbewahrt. Neben Blütenpflanzen werden auch Farne, Moose, Algen und Pilze konserviert und in Herbarien gelagert. Die Belege dieser Pflanzen werden gewöhnlich nach taxonomischen Gesichtspunkten (Familien, Gattungen und Arten) gruppiert und entweder einer bestimmten Klassifikation folgend oder alphabetisch geordnet abgelegt. Damit können die morphologischen und anatomischen Merkmale eines konservierten Individuums auch nach Jahrhunderten noch leicht untersucht und beobachtet werden.
Herbarbelege sollen ein möglichst vollständiges und detailgetreues Abbild der konservierten Pflanze wiedergeben. Daher werden die Belege mit zusätzlichen Informationen zur geographischen Lage und den Lebensbedingungen am Fundort, wie auch zu Wuchsform, Farben und Gerüchen versehen. Grundsätzlich sollen jegliche Eigenschaften festgehalten werden, welche später am konservierten Individuum nicht mehr eruiert werden können. Bei verschiedenen Pflanzengruppen ist es von Vorteil, wenn ein Teil der Blüten vor dem Pressen präpariert wird.
Ursprünglich bezeichnete der Begriff „Herbarium“ ein Buch über Kräuter. So trägt etwa das erste Kräuterbuch der Neuzeit, das ab 1530 in mehreren Bänden von Otto Brunfels herausgegeben wurde, den Titel „Herbarium Vivae Eicones“ (= „Bilder lebender Pflanzen“). Die ersten Herbarsammlungen wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Gründung von botanischen Gärten in Mittelitalien angelegt. Treffenderweise bezeichnete man damals diese Sammlungen als „hortus siccus“ (= „trockener Garten“) oder „hortus hiemalis“ (= „Wintergarten“). Damit wurde eine Möglichkeit geschaffen, Pflanzen zu konservieren und für die wissenschaftliche Bearbeitung und Charakterisierung der Pflanzenvielfalt zu erhalten, und sie später für Vergleiche zur Verfügung zu haben. Verschiedene Quellen deuten drauf hin, dass Luca Ghini (1490-1556), der Gründer der botanischen Gärten in Pisa und Padua und Professor der Botanik in Bologna, als erster Pflanzen unter Druck trocknete und so eine grössere Sammlung von Herbarbelegen anfertigte. Das von Gherardo Cibo um 1532 angelegte Herbarium wird heute noch in Rom aufbewart. Die ältesten Herbarbelege in unserem Herbarium stammen von Johannes Scheuchzer (1684 - 1738). Seine umfangreiche Gräsersammlung diente ihm damals als Arbeitsmaterial für die 1719 von ihm publizierte „Agrostographia“ (= erste wissenschaftlich fundierte Publikation über Gräser).
Erst die Möglichkeit Pflanzen zu konservieren und für spätere Untersuchungen aufzubewahren schuf die Voraussetzung für die umfassende Erforschung der Pflanzenvielfalt auf unserer Erde. Seit dem Ende des Mittelalters haben Forschungsreisende in immer weiter abgelegeneren Weltgegenden Sammlungen von Pflanzenbelegen zusammengetragen und zurück nach Europa gebracht. So hat etwa Carl von Linné, der Begründer der wissenschaftlichen Benennung von Pflanzen und Tieren, eine grosse Zahl seiner Schüler in alle Erdteile geschickt und sich grosse Mengen von Herbarbelegen zurückbringen lassen.
Jede herbarisierte und etikettierte Pflanze ist ein Beleg dafür, dass eine bestimmte Art zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort vorgekommen ist. Ein Herbar ist demnach eine Datenbank über die Pflanzenvielfalt in Raum und Zeit. Es wird geschätzt, dass weltweit in den botanischen Instituten und Museen über 300 Mio. konservierte Pflanzenbelege lagern; etwa der hundertste Teil davon, nämlich gegen 3.5 Mio. Belege gehören den vereinigten Herbarien der Universität und ETH Zürich. Jedes Jahr kommen mehrere tausend neue Herbarbelege dazu. Ein Grossteil dieser Belege stammt aus Schenkungen und aus Tauschprogrammen mit anderen Herbarien. Aber auch Felduntersuchungen im Zusammenhang mit Forschungsprojekten an unseren Instituten erbringen jedes Jahr eine grosse Zahl von neuen Belegen.
Diese grosse Datenbank aus Herbarbelegen ist von grossem wissenschaftlichem Wert für ganz verschiedene Fragestellungen zur Vielfalt der Pflanzen:
Herbarien sind auch im Zeitalter der Molekularbiologie noch unverzichtbare Informationsquellen für die Erforschung der Pflanzenvielfalt. Die "Biodiversitätskrise" (= rasanter Rückgang der biologischen Vielfalt, oft mit einem Massenaussterben gleichgesetzt) hat das Bewusstsein gestärkt, dass die Erfassung der biologischen Diversität noch lange nicht abgeschlossen ist. Die Erforschung der Pflanzenvielfalt weltweit kann ohne in Herbarien aufbewahrten Daten nicht weitergehen.